„Die Friedensbewegung und die ‚Zeitenwende’
18. Nov 2022
Als Thema ihres diesjährigen
Studientages hatte der Leitungskreis des FFE „Die Friedensbewegung und
die ‚Zeitenwende’ gewählt. Das ist nicht verwunderlich, ist doch das
Klima für Friedensarbeit in unserem Land seit dem 24. Februar 2022 deutlich
rauer geworden. Sind Pazifisten wirklich ‚aus der Zeit gefallen’? Gemeinsame
Beratung und gegenseitige Konsultation, in welche Richtung die Arbeit für den
Frieden künftig gehen kann, das war das Ziel dieses Treffens in Räumen der
Karlsruher Christusgemeinde. Eingeladen, Vertreter*innen zu entsenden, waren
alle größeren Friedensorganisationen In Deutschland. 14 von ihnen sind der
Einladung gefolgt, unter ihnen fünf christliche und neun eher säkular
orientierte. Auch hat sich der Philosoph Prof. Dr. Olaf Müller
(Humboldt-Universität Berlin) mit seinem einführenden Impulsvortrag zum
Thema ‚Pazifismus aus pragmatischer Sicht’ nicht auf
theologische Argumente gestützt. Die Vernunft im Einklang mit der unausweichlichen
Emotionalität jedes Menschen war sein nüchtern analysierender Ausgangspunkt.
Über die drei Podien, denen ein Austausch in Kleingruppen folgte, ergab sich
die herausfordernde Chance intensiver Befassung mit der ‚Vergewisserung der
ethischen Grundlagen’, der ‚Analyse der aktuellen politischen
Entwicklungen’ und den ‚Handlungsperspektiven der
Friedensbewegung’. Es ist den 57 Interessierten in Präsenz und den 21
über Zoom zugeschalteten Menschen nach übereinstimmendem Urteil aller
Beteiligten gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, die geprägt war von großer
Übereinstimmung in den Kernfragen der friedensethischen Einschätzungen der
Lage. Es ergab sich eine starke Nähe der säkularen und spirituellen Motive.
Alle Teilnehmenden haben das Treffen als wichtige Stärkung und Ermutigung ihres
Engagements in der Friedensarbeit erlebt. Zwar wurde die von Olaf Müller als
Ausnahme bezeichnete Rechtfertigung des Einsatzes von Waffengewalt zur
Bekämpfung des NS-Regimes von vielen kritisch gesehen. Denn die Gefahr bestehe
ja damit, dass jeder Konflikt zur Ausnahme erklärt werden könne. Aber z.B. im
Hinblick auf die Aktualität deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine
unterstützte man gemeinsam die Position des Friedensbeauftragten der EKD,
Friedrich Kramer, Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, der
sie ablehnt. Man war sich einig, dass Pazifisten, die sich der Begrenztheit
jedes Horizontes, auch des eigenen bewußt sind, es zurecht als
Selbstüberschätzung bewerten, wenn im öffentlichen Diskurs - wer auch
immer - verspricht, Kriege mit hinreichender Sicherheit steuern, begrenzen und
siegreich beenden zu können. Die Risiken des Krieges sind in einer Zeit, in der
mit massenvernichtendem Nuklearwaffen-Einsatz gedroht wird, nicht kalkulierbar. Man wandte sich daher am Ende der Veranstaltung mit einer
Solidaritätsadresse an Rolf Mützenich, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im
Deutschen Bundestag, der wegen seines Einsatzes für einen baldigen
Waffenstillstand von ukrainischen Behörden jüngst zusammen mit 75 weiteren
Persönlichkeiten vergleichbarer Denkrichtung auf eine
‚Informations-Terroristen-Liste’ gesetzt und bedroht worden ist.